Was macht die zwischenmenschliche Kommunikation so komplex und manchmal widersprüchlich und missverständlich? Unsere Beziehung zu uns selbst und zum Vis à Vis prägt unsere Kommunikation und ist auch oft für Spannungen und Unsicherheiten verantwortlich. Mit der Sprache drücken wir zudem öfters etwas anderes aus als mit dem Körper und nicht zuletzt können wir ganz unterschiedlich zuhören.
Menschen wollen Informationen austauschen, treten in Kontakt zueinander, werfen sich Blicke zu, flirten miteinander, vermitteln Wissen, lachen zusammen, versuchen das Gesicht zu wahren und wenden sich schweigend ab. All dies sind Mittel der menschlichen Kommunikation. Und das läuft nicht immer rund. Überall, wo Menschen miteinander kommunizieren, gibt es auch Kommunikationsprobleme. Grundsätzlicher Sinn und Zweck des Kommunizierens sind Austausch von Informationen, Kontakt und in Beziehung zu treten.
Dies passiert nicht nur bewusst und mit Absicht, sondern auch absichtslos und unbewusst. Watzlawick drückt sich folgendermassen aus: Sobald sich zwei oder mehr Menschen in einem Raum befinden, kommunizieren sie miteinander. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dies kann auf der Strasse stattfinden, im Tram, beim Gang durch eine Menschenmasse: ohne bewusstes Kommunizieren teilen wir uns mit und werden „gelesen“.
Verbale – nonverbale Sprache
Wir drücken uns über Sprache aus und – noch ungleich wichtiger nämlich bis zu 90% – über alle Komponenten der paraverbalen und nonverbalen Sprache. Zur nonverbalen Sprache gehören Mimik und Gestik, Körperhaltung, Augenkontakt und erweitert auch Kleidung, Einrichtung, Ausstrahlung, Handlungen. Zur paraverbalen Sprache gehören Lautstärke, Geschwindigkeit, Tonlage, Artikulation der Stimme.
Wir verständigen uns über Sprache und immer auch gleichzeitig über unser ganzes Sein. Und wir werden nicht nur gehört, sondern gleichzeitig auch gelesen: Auffällige Erscheinung, Kleider, Tempo, Hindernis, Tonfall, Hierarchie, Ort etc. Die meiste bewusste Aufmerksamkeit schenken wir normalerweise der gesprochenen Sprache, die nonverbale Sprache nehmen wir oft nebenbei und unbewusst wahr.
Konzentrieren wir uns nur auf die gesprochenen Worte, werden sie nur zu oft fehlinterpretiert, weil die nonverbale Kommunikation so viel gewichtiger ist. Ein möglicher Grund für ein Missverständnis.
Kongruenz
Stimmen die Aussagen der verbalen Sprache mit der nonverbalen Sprache überein, dann reden wir von kongruenter Kommunikation. In der Regel nehmen wir die Unstimmigkeiten der beiden Ebenen sofort wahr und geraten in Unsicherheit. Lügt ein Partner zum Beispiel seine Partnerin an über eine Abwesenheit, nimmt die Partnerin wahr, dass das Ganze irgendwie etwas seltsam erzählt wird. Dann weiss sie vielleicht nicht, was nicht ganz kongruent ist, aber dass es nicht kongruent ist. Das erzeugt Unsicherheit in der Wahrnehmung. Was soll sie glauben? Ein banales Alltagsbeipiel ist die Frage: „Wie geht es dir?“ – „Gut, gut.“ Und doch weiss man als Fragende – nein natürlich geht es der anderen Person nicht gut, weil Körperhaltung, Betonung, vielleicht forcierte Wiederholung einfach nicht passt. Fazit: Die nonverbale Sprache ist ehrlicher und ist ungleich schwieriger zu überspielen.
In der Unsicherheit der nicht kongruenten Botschaften sollte man sich also eher auf seinen Instinkt (oft unbewusste Beobachtungen) verlassen als auf das rein Gehörte.
Der Mensch ein soziales Wesen
Wir sind auf die zwischenmenschliche Kommunikation angewiesen, weil wir zutiefst soziale Wesen sind und nicht überleben können ohne zwischenmenschliche Beziehungen. Eigentlich kann man sagen: weil wir uns aufeinander beziehen mussten und müssen, weil wir nur so überleben konnten und können, mussten wir lernen zu kommunizieren, haben sich Gesten, Laute, Körpersprache, Mimik immer weiter entwickelt bis wir uns sprachlich detailliert ausdrücken konnten.
Kommunikation und Beziehung
In Beziehung zu treten ist der Anlass jeder Kommunikation, ob wir dabei Information vermitteln wollen oder unsere Befindlichkeit ansprechen. In jeder Geste, in der Mimik, der Körpersprache, der verbalen Sprache schwingen zudem mit, wie wir zu uns selbst stehen, mit welcher Haltung wir die Welt wahrnehmen und wie wir ein Gegenüber wertschätzen oder nicht, was wir von der anderen Person möchten.
Meistens sind wir uns dessen nicht bewusst, wie tiefgreifend wichtig für unser Leben diese Verknüpfung von Beziehung und Kommunikation ist. Mithilfe der Kommunikation leben wir Beziehung, sind wir im Austausch und Kontakt, erfüllen wir unsere Aufgaben in der Berufsswelt, finden wir uns zurecht in einer komplexen Welt, äussern wir unsere Bedürfnisse, teilen unsere Emotionen mit, sind wir empfänglich für äussere Botschaften und interpretieren sie.
Kommunikation und Grundvertrauen
Banal und gleichzeitig eine Grundwahrheit: wir möchten geliebt werden, wir möchten gesehen werden, gehört, erkannt werden. Wir möchten zugehörig sein. Wenn wir das alles erleben – und vor allem frühkindlich erlebt haben, dann fühlen wir uns sicher in der Beziehung. Man sagt dem Bindungssicherheit. Dies verschafft uns eine solide Basis in der Welt zu sein. Wir sehen die Welt als ein grundsätzlich freundliches „Wesen“, auf das wir mit Vertrauen und einer gewissen Offenheit zugehen.
Natürlich wachsen wir nicht losgelöst von gesellschaftlichen Gegebenheiten auf. Auch leben wir nie in idealen Familienstrukturen mit idealen Beziehungsvorbildern. Wir sind geprägt davon, wie unsere Eltern und nahe Umgebung sich aufeinander beziehen und bezogen haben. Geht es hier mehrheitlich um Vertrauen, Zutrauen, Freundlichkeit, Offenheit, Reflexion, Zärtlichkeit, Optimismus und Lösungssuche? Oder prägt die Atmosphäre mehr die Kontrolle, Regeln, Misstrauen, Versagensängste, Leistung, Vorbehalte, bedingte Zuwendung, Ängste? Meist ist es eine Mischung der positiven und negativen Werte – aber alle diese Gefühlsfelder beeinflussen unsere Haltungen, Handlungen, Einstellungen und Werte und die Kommunikation ist Ausdrucksform dazu.
Wie wir also schlussendlich kommunizieren hängt ganz tief damit zusammen, wie sicher wir uns fühlen. Welche Einstellung wir zu uns und der Welt haben. Sind wir ängstlich, dann drücken wir dies auch in Sprache, Haltung, Augenkontakt, Stimmlage, Körperanspannung aus. Strahlen wir vor Freude ist das ebenso auf allen Ebenen unseres Seins wahrnehmbar.
Unsere Kommunikation ist also der Ausdruck unseres ganzen Seins, unserer Persönlichkeit und kann niemals getrennt vom jeweiligen Menschen angeschaut werden.
Kommunikation ist Senden und Empfangen
Miteinander zu kommunizieren beinhaltet immer ein ganzes Bündel an Dingen: Da gibt es Informationen, Gefühle werden ausgedrückt, Beziehungsgeflechte werden sichtbar und Anliegen ausgesprochen. Mal steht der Informationsaustausch im Vordergrund. Trotz dieser Sachlichkeit gibt jeder Mensch Information anders weiter – je nach Werten, momentaner Befindlichkeit, dem Kontext, der eigenen Gefühlslage, der Beziehung zum Gegenüber, den Anliegen etc. Fazit: Kommunikation ist nie neutral oder einfach sachlich.
Erstaunlicherweise ist es uns als Sendende fast nie bewusst, dass die zuhörende Person, das wir sagen und ausdrücken, womöglich ganz anders wahrnimmt und interpretiert. Umgekehrt hören die Empfangenden ihre eigene Wahrheit der Botschaft und kommen gar nicht auf die Idee, dass dies anders gemeint sein könnte. Durchschnittlich wird etwa ein Drittel (!) der Botschaft so verstanden, wie es der Sendende gemeint hat. Warum ist das so?
Die vier Seiten einer Botschaft
„Es zieht.“ Ist das nun eine Information? Eine Aufforderung? Eine Äusserung über meine Befindlichkeit? Oder ein Ärger über die Person, die das Fenster aufgemacht hat? Das weiss man nicht, wenn man es ohne Kontext liest, die Tonlage nicht kennt. Um dies so zu hören wie es der Sender meint, braucht es z.B. die Gestik und Mimik, die wechselnden Gesichtsausdrücke, die ganze Körpersprache des Gegenübers, man muss Bescheid wissen über den Kommunikationsstil und über die Nähe und Distanz der Beteiligten. Viele Faktoren, die hier mitspielen.
Die vier „Schnäbel“ einer Botschaft
Eine Botschaft hat nach Friedemann Schulz von Thun immer vier Aspekte:
- Sachebene (Information)
- Selbstkundgabeebene, auch Selbstoffenbarung (Wie ist die eigene Befindlichkeit)
- Beziehungsebene (Wie stehen wir zueinander)
- Appell (Was soll ich tun oder lassen)
Auf das Beispiel „Es zieht.“ bezogen, könnten folgende Aspekte mitschwingen.
- Sachverhalt: Im Raum herrscht Durchzug. Das ist die Information.
- Selbstkundgabe: Mir ist es unangenehm, ich bin empfindlich, ich mag das nicht, ich bin ärgerlich, ich wundere mich, ich freue mich (bei drückender Hitze)… Es sind Ich-Botschaften, anhand derer ich meine Befindlichkeit preisgebe (deutbar über den Kontext, Stimmlage, Situation…)
- Beziehung: „Du bist so gedankenlos, du weisst doch, dass ich das nicht ertrage.“ – „Du wirst doch nicht etwa das Fenster geöffnet haben?“ – „Du hast uns Erleichterung gebracht“ … Es sind unausgesprochene Du-Botschaften, bei denen ich ausdrücke, wie ich gerade zum Gegenüber stehe.
- Appell: Bitte mach sofort das Fenster zu. Hol mir einen Schal. Mach noch mehr Fenster auf“ … Es sind Aufforderungen, etwas zu tun oder nicht zu tun.
Eine Seite dieser vier Aspekte ist betont. Die anderen Aspekte schwingen mit. Schulz von Thun redet hier vom Eiswürfelprinzip.
Die vier Ohren
Die Senderin spricht mit vier Schnäbeln und die Empfängerin hört auf 4 Ohren zu.
In unserem Beispiel könnte die Botschaft der Senderin „Es zieht.“ ein Appell sein an den Empfänger: „Bitte mach das Fenster wieder zu.“ – Sagt aber nur: „Es zieht.“ Was eine Information ist.
Das Gegenüber kann nun auch auf verschiedenen Ohren zuhören und reagieren:
Hört es die Information, reagiert es vielleicht mit: „Ah ja, ich nehme es auch wahr.“ – also sachlich. Sachohr.
Hört es auf die Selbstkundgabe, dann hört es, wie es der Sprecherin geht. Also zum Beispiel: Sie ist empfindlich. Sie ist erkältet. Sie ist ärgerlich… Und reagiert meist mitfühlend. Es wird auch das Psychologenohr genannt.
Hört es auf die Beziehung, dann hört es: „Ich bin rücksichtslos.“ oder „Ich mache nie etwas richtig.“ oder „Natürlich, ich werde grad wieder kritisiert.“ oder im Falle einere wohltuenden Handlung „Ich habe das Bedürfnis der anderen Person richitg interpretiert.“ … und reagiert betupft, fühlt sich als Opfer, geht in den Gegenangriff oder fühlt sich gesehen. Das Beziehungsohr hört darauf, ob das Gegenüber mich mag und wir im Guten sind miteinander.
Hört es auf den Appell: Reagiert es sofort und schliesst das offene Fenster, oder öffnet noch mehr. Das Apellohr ist sozusagen das Dienstleistungsohr.
Auch wenn eine Botschaft nur aus Augenverdrehen besteht, sind alle 4 Ebenen präsent.
Fazit
Unser zwischenmenschliches Miteinander bietet viel Gelegenheit zu Missverständnissen. Wenn die verbale Kommunikation sich nicht mit der nonverbalen Kommunikation deckt. Oder wenn der Sendende auf einer anderen Ebene spricht als der Zuhörende empfängt. Dann kommt es schnell zu Störungen in der Kommunikation und schon verstehen wir unseren Kommunikationspartner überhaupt nicht mehr. Es kommt zu Kommunikationsproblemen. und damit einhergehend leicht zu Beziehungsproblemen. Wenn unklare oder schwierige Emotionen im Spiel sind, ist die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen und Schwierigkeiten des sich nicht Verstehens deutlich erhöht.
Ich kann als Senderin sehr klar, kongruent und auf der richtigen Ebene sprechen. Ich weiss nie, wie eine Botschaft ankommt und auf welchem Ohr zugehört wird. Die Fortsetzung der Kommunikation bestimmt immer der/die Empfänger*in.
Lies in meinem nächsten Blog die Fortsetzung zur MiniSerie Zwischenmenschliche Kommunikation. In Teil 2 wird es um Kommunikationsinstrumente gehen und im Teil 3 um Gendergerechte Sprache.
Wenn du dich gerne begleiten lassen möchtest, kontaktiere mich gerne.