Wusstet ihr, dass ursprünglich die Idee zum Frauenstreik von Uhrenarbeiterinnen im Vallée de Joux ausgegangen ist, weil diese als Frauen schlechter bezahlt waren als ihre männlichen Kollegen und sich geärgert hatten über die zögerliche Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes des Bundesrates. Als später prominente Sprecherin trat damals Christiane Brunner auf, der dann 1993 die Wahl zur Bundesrätin verwehrt wurde und dann schnell Ruth Dreyfuss zur Bundesrätin herbeigezaubert wurde. Auch damals gab es sehr viele Frauenproteste im ganzen Land.
Wir – mehrere Frauen aus unserer Strasse – haben damals die Idee des Streikes mit Elan und Begeisterung aufgenommen, haben kurzerhand unsere Strasse vereinnahmt und für die Frauen ein gemeinsames Z’morgen organisiert. Schön war’s!
Und am Nachmittag sind wir mit unseren Kindern zu den tausenden von Frauen auf den Bundesplatz gezogen. Wenn ich auch eher am Rande der unzähligen Frauen geblieben bin mit einer 8 monatigen und 3 jährigen Tochter. Die Stimmung war ausgelassen, fröhlich, kämpferisch und endlich wieder einmal geeint im Anliegen nach gleichen Rechten, nach Anerkennung und Bezahlung all der gemeinnützigen Gratis-Arbeit und im Schwung der gemeinsamen Kraft: Wenn wir nur zusammenhalten, dann können wir alles erreichen.
Später hatte ich den heftigsten Krach in meinem Leben mit meinem Vater, weil ich etwas nicht erledigt hatte, das ich seiner Meinung nach am 14. Juni hätte erledigen sollen. Er hatte richtig vermutet, dass ich gestreikt hatte an diesem Tag. Noch nie hatte ich vorher meinem Vater dermassen die Stirn geboten. Ich habe viel gelernt aus diesem Krach.
Was ist geblieben? Beeindruckende Bilder. Frauengemeinschaft. Viel viel Klein- und Kleinstarbeit für kleine Schritte. Und wieder vermehrter Kampfgeist nicht zuletzt durch die #me too Kampagne. Gleichberechtigung? Vieles ist geschehen, und es bleibt zäh (Wann wird zum Beispiel endlich der alte Zopf der Ehepaarbesteuerung abgeschafft?) und oft an der Oberfläche. Spätestens, wenn ein Paar zu Eltern wird, erwachen viele Frauen und auch Paare.
Heute ist wieder der 14. Juni. 21 Jahre später. Frauen werden in der Schweiz noch immer benachteiligt. Gleicher Lohn? Vielleicht. Bezahlte Care-Arbeit? Weit entfernt. Genügend ausgebaute Tagesstrukturen für Kinder? Wenn man genug bezahlen kann. Hausarbeit? Kinderbetreuung? Vorwiegend Frauenarbeit. Wer muss zwischen Karriere und Kinderwunsch wählen? Die Frauen. Wer ist am meisten von Armut betroffen? Alleinerziehende Mütter. Wer hat beträchtlich weniger Pensionsgeld mit 65? Die Frauen.
Ich setze mich mit Freude dafür ein, dass wir Frauen mit 64 in Rente gehen dürfen. Nicht, weil das gerecht wäre. Aber weil es richtig ist in einer Gesellschaft, die dieses Jahr erst die 2. Säule soweit angepasst hat, dass Angestellte und Arbeiterinnen ab ca. Fr. 12’000 Jahreslohn zur 2. Säule Zugang haben. Vorher waren zehntausende von teilzeitarbeitenden Frauen davon ausgeschlossen und konnten im Pensionsalter meist nur auf die AHV zurückgreifen. Und kann mann mir mal erklären, warum man verschiedene Einkommen bis anhin nicht zusammenzählen konnte und damit eine 2. Säule hätte aufbauen können? Und warum man überhaupt ein Mindesteinkommen haben muss für die 2. Säule? Das sind Themen, von denen auch viele Migranten betroffen sind und davon wiederum die Migrantinnen besonders.
Es gibt also noch viel zu tun für uns Frauen. Schön wärs, wenn wir die Parole „Nehmen Sie Platz Madame. Machen Sie Platz Monsieur!“ endlich in den Alltag hineinleben könnten. Auf unsere eigene Art. Und ob wir uns nun auf der äusseren Bühne des Lebens stark machen, an unseren Arbeitsplätzen klar und unmissverständlich sind oder gewisse Verhaltensweisen im Alltag mit unseren Partnern zurückweisen. Egal wo. Aber immer klarer. Immer selbstverständlicher. Immer in der Ausrichtung unserer weiblichen Kraft. Und jede auf ihre Art.